Das Leben als Teenager ist wahrlich nicht leicht. Man ist nicht mehr Kind, aber ganz Erwachsen ist man auch noch nicht. Man fühlt sich für einiges zu alt, für anderes wiederum ist man angeblich noch zu jung. Man will die Flügel ausstrecken und dem lauten Ruf des Lebens folgen, doch man kann nicht, denn noch halten die Eltern ihre schützenden Hände über einen und dann sind da auch noch diese widersprüchlichen Gefühle, die immer mal wieder auftreten und einen verwirren können. Ja, Teenager sein ist schwer. Tag für Tag muss man sich der Frage stellen, wer man ist und was man will, man muss zu sich selbst und seinen eigenen Weg finden, sich behaupten, Entscheidungen treffen und mit Konsequenzen leben. So auch Hauptcharakterin Frieda.
Geschrieben ist das Buch in der Ich-Perspektive, wobei die 17-jährige Frieda die Rolle der Erzählerin übernimmt. In ihr finden wir einen Hauptcharakter, der eher zurückhalten ist, der die Dinge lieber aus der sicheren Distanz beobachtet und sich dennoch wünscht, das Leben einmal hautnah mitzuerleben und nicht nur von der Zuschauertribüne aus. Diese Chance bietet ihr Jeffer und ehe sie sich versieht ist sie auch schon mittendrin im Leben. Allerdings wirkt Frieda im Laufe der Geschichte keinesfalls so zurückhaltend, wie sie anfangs selbst von sich behauptet. Sie ist kess, weiß zu kontern und scheint nicht das geringste Problem mit Menschenmassen zu haben. Viel mehr hatte ich beim Lesen den Eindruck, als beziehe sich ihre Zurückhaltung nur auf das fehlende Interesse für Partys und Konzerte und auf ihre mangelnde Spontanität denn auf ihr Wesen selbst. Nichtsdestotrotz ist Frieda ein Charakter, von dem man sich gerne durch die Geschichte führen lässt. Sie ist nachdenklich, wägt das Für und Wider ab, ist lernbereit, neugierig, klug, romantisch und lechzt nach dem Leben. Da verzeiht man ihr auch gerne, dass sie mal zu tief ins Glas schaut oder zur Kettenraucherin mutiert. Solche kleine Dummheiten gehören einfach dazu und alles andere hätte auch gar nicht in den rockigen, musikalischen Rahmen dieser Geschichte gepasst.
Jeffer ist ein junger Musiker, gutaussehend, begehrt, witzig, ein Magnet, doch vor allem ist er eins: ein Geheimnis. Er genießt die Aufmerksamkeit, die ihm geschenkt wird, liebt es im Mittelpunkt zu stehen, braucht seine Groupies wie die Luft zum atmen, doch ist er dabei keineswegs ein offenes Buch, welches sich mit Nähkästchenplaudereien interessant machen muss, nein, stattdessen gibt er nur das preis, was er preisgeben will und das ist in den meisten Fällen ziemlich wenig. Ist man zwar aus den typischen Jugendbüchern gewohnt, dass das Geheimnisvolle irgendwann im Laufe der Geschichte verpufft und dem Leser schlussendlich ein Blick hinter die Fassade des schmucken jungen Mannes ermöglicht wird, so muss man sich hier damit zufrieden geben, dass einem der Einsturz der Fassade verwehrt bleibt. Jeffer bleibt wie er ist, ändert sich nicht, öffnet sich nicht, wo er sich nicht öffnen will, streut Brotkrumen aus, die wiederum neue Fragen aufwerfen, beendet Themen, auf die er nicht näher eingehen möchte und hebt sich damit von den anderen Jugendbuchhelden ab. Man könnte sagen, er spielt sein eigenes Spiel und das beherrscht er gut. Es macht ihn interessant und trägt einen nicht geringen Teil dazu bei, dass die Geschichte um Frieda und ihm selbst nicht unbedingt vorhersehbar ist.
Wenn man den Titel Ich würde dich so gerne küssen liest, könnte man meinen, im Inneren des Buches erwarte einen eine kitschige, schnulzige Liebesgeschichte, doch genau das Gegenteil davon ist der Fall. Viel mehr stürzen wir uns gemeinsam mit der Hauptprotagonistin Frieda mitten ins Leben, sind spontan, genießen die Freiheit und halten uns nicht mit gesellschaftlicher Norm auf. Dabei ist es keinesfalls so, dass sich unsere Helden in ein halsbrecherisches Abenteuer nach dem anderen stürzen, Gesetze missachten oder nach wilden Partys am nächsten Morgen irgendwo aufwachen und nicht mehr wissen, was sie die Nacht zuvor alles getrieben haben. Nein, hier sind es ruhige und nachdenkliche Töne, die Freiheit, das zu tun, wonach einem der Sinn steht, sich zu erlauben, auch mal albern zu sein, die Frage danach, wie man sich sein Leben vorstellt und schlussendlich seinen eigenen Weg zu finden, widersprüchlichen Gefühle, die einem die Antwort auf die Frage Freundschaft oder Liebe verwehren, die den Leser an die Seiten fesselen und neugierig das Hin und Her und die Verwirrung der beiden Hauptprotagonisten verfolgen lässt.
Ich muss gestehen, ich habe mich beim Lesen dieses Buches dabei erwischt, wie ich mir selbst untreu wurde. Ich sehnte mich nach einem guten Buch, welches nicht den Mantel der Trilogie oder gar Buchreihe braucht, um zu begeistern, ein Buch, welches man liest und danach zufrieden wieder zurück ins Regal stellt. Jetzt habe ich genau so ein Buch gefunden und anstatt glücklich darüber zu sein, bin ich hin- und hergerissen zwischen Befriedigung ob des passenden und schönen Endes und der Sehnsucht nach einer Fortsetzung. Ich würde Jeffer und Frieda so gerne nochmal treffen, so 10 oder vielleicht auch 20 Jahre später, neugierig ihren Geschichten lauschen, mich von der Musik tragen lassen und in einer urigen Küche in den Erinnerungen des Videotagebuchs schwelgen. Klingt kitschig, dessen bin ich mir bewusst, doch bin mir sicher die beiden würden diesen Dingen jeglichen Kitsch nehmen, uns in einem perfekten Rahmen begegnen und einfach nur wieder den Moment genießen.
Fazit
Ich würde dich so gerne küssen hat sich im Inneren als ganz anders entpuppt, als ich es anfangs erwartet hatte. Leise, nachdenkliche Töne, Freiheit, die Suche nach seinem Weg und der Soundtrack des Lebens haben die Handlung um Frieda und Jeffer zu einer Geschichte voll von Gefühlen, Sehnsucht und Schönheit gemacht, die zwar ihre romantischen Seiten hat, sich dabei aber ohne jeglichen Kitsch und Schnulz zu behaupten weiß.